Pyrenäen 2005


Narbonne - Belcaire

Der Bahnhof von Narbonne bleibt an diesem spätsommerlichen Sonntagmorgen sich selbst überlassen. Seine Pflicht ist getan, die Sommertouristen zu empfangen und wieder nach Hause zu verabschieden. Eine Handvoll Fahrgäste steigen aus dem Zug und sind bereits verschwunden, noch ehe wir unsere Räder zusammengebaut und die Gepäcktaschen an die Gefährte geschnallt haben. Narbonne, 40 000 Einwohner, Schmelztiegel am Mittelmeer, Zentrum des Weinhandels, einst Hauptstadt der römischen Provinz Gallia Narbonensis: für uns ist die Stadt Ausgangspunkt, nicht Ziel.

Belcaire - Seix

Wir sind mit den Rennrädern unterwegs, ich trage auf dem Gepäckträger und in den beiden Ortliebtaschen Zelt, Isomatten, Schlafsäcke, Kocher, Klamotten und Schuhe, Gabriele hat ans Sattelrohr eine Hecktasche von Carradice geschnallt, die wohl zehn Liter fassen dürfte, ausreichend für das, was sie an Kleidung und Kleinkram dabei hat. Das hört sich alles nach wenig an und wiegt zusammengenommen wohl auch keine zwanzig Kilo - ideal für die Berge. Das Packen braucht dennoch seine Zeit, so dass wir uns erst kurz nach zehn auf die Räder schwingen.

Seix - St. Beat

Ein grauer, trüber Tag empfängt uns, das Zelt trieft vom nächtlichen Regen. Wir haben uns für diese Tour für das Salewa Micra entschieden, ein 1,5-Personen-Zelt mit etwas mehr als 2 kg Gewicht, aber wenn man sich mag, kommt man selbst in einer Regennacht gut damit zurecht. Abzuwarten bleibt, welches Wetter auf dem Col de la Core, 835 m weiter oben, herrscht. Der Aufstieg ist geprägt von flottierenden Nebelschwaden, die jeden Ausblick in die Landschaft verwehren. Sei's drum, irgendwie gehört auch so ein Wetter dazu. Oben ist es einsam, keine Menschenspaliere, um die Radfahrer anzufeuern.

St. Beat - Arreau

Was sich abends bereits angedeutet hat, ist tatsächlich eingetreten: unter strahlend blauem Himmel machen wir uns auf den Weg nach Bagnères-de-Luchon. Die D 125, eine breit ausgebaute Straße, ist zwar nicht so beschaulich wie die Strecken, die wir bisher befahren hatten, der Blick auf die Zweitausender entschädigt aber voll und ganz.

In Luchon selbst herrscht das quirliges Treiben eines Thermalstädtchens; stünde nicht die Auffahrt zum Col de Peyresourde an, wäre ein Milchkaffee in einem der Straßencafés Pflicht.

Arreau - Arras-en-Lavedon

Auch auf diesem Campingplatz gibt es einen Aufenthaltsraum, der die nächtliche Kälte schnell vergessen macht. Ein wirklicher Luxus, den wir wohl dem Umstand verdanken, dass in dieser Gegend auch Wintersport betrieben wird.

Die Auffahrt zum Col d'Aspin beginnt mit einem Verbotsschild vor einem Baustoffhandel: Liebe Radfahrer, auf die Baustoffe pinkeln untersagt... Der Rest ist ein Traum in grün und blau; die gleißende Morgensonne scheint die Gipfel rechts und links der Straße allesamt küssen: Wie sehr sie ihre Hälse recken! Fast mühelos gelangen wir zum Gipfel, wo Viehherden ungeniert neben dem halben Dutzend Wohnmobilen weiden, die die Kuppe in Beschlag genommen haben.

Arras-en-Lavedon - Osse-en-Aspe

Mitunter ist es in den Pyrenäen sogar schwierig, sein Geld loszuwerden. Niemand kommt hier morgens auf den Zeltplatz, um zu kassieren. Auch in der Bäckerei und im Krämerladen können sie uns nur vage Angaben zum Pächter machen, aber hilfsbereit, wie die Menschen hier sind, telefonieren sie von Hinz nach Kunz, bis mir irgendwann eine Dame am Telefon erklärt , dass sie demnächst vorbeikommen werde und die Übernachtungsgebühr entgegennehmen würde.

Osse-en-Aspe - Hasparren

Beim morgendlichen Einkauf im Dorf bei strömendem Regen regeln wir die Übernachtungskosten auf einfache Weise: wir drücken unsere 4.40 € der Ladeninhaberin in die Hand, mit der Bitte, das Geld an den Bürgermeister weiterzugeben. Der Regen lässt glücklicherweise bald nach, dieNebel auf dem Col d'Ichère Regenwolken bleiben uns aber erhalten.

Dichter Nebel herrscht bei der Auffahrt zum Col d'Ichère auf 680 Meter. Hier jagt eine Kuppe die andere, das Sträßchen wartet auf mit bis Anstiegen von bis zu 20 Prozent. Mit meiner Übersetzung von 34x28 komme ich dabei ernsthaft an meine Grenzen.

Hasparren - Biarritz

Bei Temperaturen von deutlich unter 10 Grad mache ich uns das Frühstück, eingepackt in allem, was mir zur Verfügung steht. Mit der Sonne kommt schon bald die Wärme zurück und wir bekommen unser feuchtes Zelt doch noch einigermaßen trocken.