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Nicht immer ist es dem treuesten Gefährten des Menschen, dem Rad, gestattet, seinem Besitzer in aller Kreatürlichkeit durch Freud und Leid einer Reise zu folgen. In Zügen, aber auch Fernbussen, ist es oft nur dann erlaubt, wenn zuvor ein Fahrradticket gelöst wurde - ein bequemer Weg, der aber, wie alle bequemen Wege, erstens seinen Preis hat und zweitens manchmal leider auch nicht gangbar ist, da ein Radtransport nicht vorgesehen ist.
Für solche Fälle brauchen wir Alternativen, wollen wir unser Rad nicht seinem einsamen Schicksal auf irgendeinem Bahnsteig überlassen. Der Gedanke, sein herrliches Vehikel den Blicken der lieben Mitreisenden vorzuenthalten und in ein Kleidchen zu packen, fällt schwer. Hat man sich aber erst einmal daran gewöhnt, geht es nur noch um die Frage, wie. Aus diesem Grunde folgt an dieser Stelle eine systematische Anleitung, damit Ross und Reiter weiterhin unzertrennlich bleiben können.
Die Bahn akzeptiert Gepäckstücke, die von einer Person getragen werden können. Vereinzelt bekam ich aber auch schon zu hören, dass das Gepäck nur so groß sein dürfe, dass es in die Gepäckablage über den Sitzen passt, was in Schweizer Zügen allerdings ein Witz ist, da dort mitunter kaum ein Notebook reinpasst. Um auf Nummer sicher zu gehen, schrauben wir das linke Pedal ab: damit schrumpft das Rad auf eine Dimension, die - je nach Rahmengröße und Zugbeschaffenheit - eine Unterbringung über den Sitzen möglich macht. Für alle Fälle.
Aber der Reihe nach:
- Sind Gepäckträger oder Schutzbleche am Rad, sollten diese besser weg. Unser Rad wird sich das gerne gefallen lassen.
- Wir legen die Folie gefaltet auf dem Boden aus. Ich nehme dazu eine Plane aus Nylon-Ripstop (Bezug), ca. 160 x 130 cm groß, die ich auf einer Schmalseite zusammengenäht habe - auf dieser Seite liegt später der hintere Teil des Rades. Die Längs- und die andere Schmalseite sind mit Klettverschlüssen bzw. einem Reißverschluss versehen. Zur Not tun es auch Sicherheitsnadeln. Das ganze wiegt übrigens ca. 150 Gramm und verrichtet auch als Picknick- oder Zeltunterlage gute Dienste.
- Eine Zeitung, etwas Werkzeug und fünf Riemen oder Kabelbinder liegen bereit.
- Die Kette wird nach rechts gelegt - so fällt sie nicht vom Kettenblatt und macht keine Schweinerei - auch Räder können kleine Ferkel sein.
- Die Bremsen lösen.
- Das linke Pedal wird abgeschraubt - in der Regel reicht ein Innensechskant. Dabei hilft, wenn es vorher nicht mit Brachialgewalt angezogen wurde - Pedalgewinde ziehen sich beim Treten durch die Rotation in den Lagern von selbst fest. Wenn es sich überhaupt nicht lösen lässt, liegt es vielleicht daran, dass man in die falsche Richtung dreht - das linke Pedal ist aus obig genanntem Grunde mit einem Linksgewinde versehen. Damit es nicht verloren geht, schraube ich es auf der Innenseite wieder an.
- Es wird Zeit, die Laufräder zu entfernen und das Rad mit seiner linken Seite auf die Folie zu legen, bevor der Wind sie vom Bahngleis fegt. Die Zeitung klemmen wir um die Kettenblätter und drücken sie von hinten in die Aussparungen.
- Wir beginnen mit dem Vorderrad. Es wird bei eingeschlagenem Lenker so platziert, dass es zwischen Lenker und Oberrohr und auf der Vorderbremse zu liegen kommt. Das Ganze wird mit einem Riemen ums Oberrohr fixiert.
- Das Hinterrad - Zahnkranzseite nach unten - kommt obendrauf, wird am Oberrohr und an der Sitzstrebe festgezurrt, knapp überhalb des Schaltwerks. Das Schaltwerk sollte frei liegen, damit bei Druck von oben (manche gottlosen Mitreisenden legen gerne ihre Hartschalenkoffer auf unsere armen Geschöpfe) nicht das Schaltauge in Mitleidenschaft zieht. Auf Tretlagerhöhe werden beide Räder miteinander verzurrt. Dann, im letzten Schritt, das Vorderrad am Unterrohr fixieren und die Riemenspannung überprüfen.
- Wer es wirklich kompakt haben möchte, markiert mit einem Klebestreifen die Position der Sattelstütze und entfernt auch diese samt Sattel. Man kann diese Anbauteile ohne zusätzlichen Platzbedarf am Ende irgendwo am Rahmengestänge festbinden.
- Ehe der Zug davonfährt, schlagen wir unser Werkstück in die Folie ein und verschließen diese je nach Wunsch: Reißverschluss, Klettverschlüsse oder - schlicht aber zeitintensiv - mit Sicherheitsnadeln.
Nun ist alles dafür getan, dass unser bestes Stück - zwar inkognito aber besser so als gar nicht - die Freuden und Leiden einer Zugfahrt mit uns teilen kann.