Auf meinem früheren Arbeitsweg stand lange Wochen eine betagte Ente (einstiges Kultmodell der Firma Citroën - Hinweis für die Jüngeren unter uns) mit einem Aufkleber, der mir jeden Tag neu die Vielfalt dieser Welt vor Augen führte: Keep Holland beautiful - get tattooed! Die Holländer waren immer schon etwas eigen.
Die Zeit ist nicht stehengeblieben und inzwischen ist es so, dass man sich auch an einem durchschnittlichen deutschen Sommertag vor Tattoos kaum retten kann. Auf Schulterblättern springen sie einem entgegen, an Waden, Oberarmen, Bauchnabeln. Was unter den teils knapp bemessenen Höschen liegt, wagt man sich gar nicht vorzustellen. Ist unser Land durch all die Drachen, Blumenornamente, Greifvögel und chinesischen Schriftzeichen schöner geworden? Ich sehe das eher kritisch.
An einem dergestalt üppigen Sommertag - einem der vielen mit heftigem Regen - führte mich mein Weg durch Freiburg. In diesem Fall hatte ich allerdings keinen Blick für die mannigfaltigen Verzierungen der Epidermis. Man hat genug mit Spritzwasser und den hinter ihren angelaufenen Scheiben fast blinden Autofahrern zu tun. Alles in allem nicht sehr erbaulich. Und dann dies: Kaum aus der Stadt heraus, kommt mir im strömenden Regen ein nicht unattraktives Wesen auf dem Rennrad entgegen (Frauen auf Rennrädern sind nun mal attraktiv) und lacht mir verschwörerisch zu (Regen hat etwas Verbindendes). Und weg war sie.
Dies war ein in diesen Zeiten seltener Moment echter Schönheit. Da fiel mir, weiß der Teufel warum, die holländische Ente ein, und mich überkam der plötzliche Wunsch, ein System hinter dem Wesen der Schönheit zu erkennen. Tatoos sind's nicht, soviel ist klar. Frauen hätten reihenweise das Potenzial dazu, keine Frage. Aber dazu muss man nur die Kosmetikwerbung anschauen, um zu merken, dass irgendetwas daran faul ist. Frauen auf Rennrädern mit klitzekleinen Tattoos oberhalb der knappen Söckchen? Das könnte in die richtige Richtung gehen. Auf jeden Fall hätten wir damit die Holländerinnen und ihre tätowierten Jungs auf ihren Gazellen in Sachen Schönheit deutlich auf die Plätze verwiesen.
August 2008