Donnerstag, 5. Juli 2007
Schon bald merke ich, dass ich mit meiner Übersichtskarte France Sud aus dem Jahr 1995 im Maßstab 1:1 000 000 Probleme bekommen werde. Zwischen meinen Detailkarten vom Südwesten und dem Zentrum klafft eine Lücke, die ich mit der Übersichtskarte überbrücken wollte. Zwischenzeitlich hat sich die Straßenlandschaft gründlich geändert. Eine Autobahn mit Auffahrt ist hinzu gekommen, die Nationalstraße heißt nun N 6089 statt N 89, es gibt Straßen nach links und rechts, alle Orientierung geht mir verloren. So fahre ich hin und her, um auf die Umgehungsstraße von Périgueux zu stoßen, am Ende lande ich doch im Zentrum und kämpfe mich von Ampel zu Ampel weiter. Kaum ein Mensch, der ein Fahrrad benützt, keinerlei Wegweiser für den Randonneur. Erleichtert, die morgendlichen Abgaswolken der Stadt hinter mir zu wissen, nehme ich eine halbe Stunde später Kurs auf Brive-la-Gaillarde.
Ich bin noch früh dran, obwohl ich bis kurz vor sieben Uhr geschlafen habe, verwöhnt durch die Tage in den Weinbergen. Durch die parallel verlaufende Autobahn ist die N 6089 relativ ruhig zu befahren. Erst kurz vor Brive nimmt, wie nicht anders zu erwarten, der Verkehr zu, zumal jetzt, zur Mittagszeit. Brive im Departement Corrèze ist eine ganz hübsche Stadt mit ihren Stadtmauern, Türmen und Kirchen. Allein: mir steht der Sinn nach Weiterfahrt. Mittagessen gibt's erst danach.
Das üppige Grün der Wälder und Wiesen prägt die Landschaft rund um Brive. Wie in Bordeaux wird es auch hier seit Mai fast täglich geregnet haben. Wolken und Sonne wechseln sich auch heute ab, es bleibt aber trocken. Mein Weg führt nun stetig nach Osten, aber was heißt in dieser Gegend stetig: das Zentralmassiv ist bergig und die Straßenverlauf ist der Topografie angepasst. Mitten im Nirgendwo finde ich eine Picknickbank auf einem Parkplatz.
Gleich danach geht es hoch nach Beynat. Erst in Argentat, 20 Kilometer weiter, ziehe ich mir endlich Armlinge und Beinlinge aus. Was für ein merkwürdiger Sommer...
Das Departement Corréze ist Teil der France profonde. Grün, wellig, wasserreich, einsam, ursprünglich, unspektakulär schön. Dem Einzelreisenden fehlen lediglich andere Radfahrer, die man in der Begegnung kurz grüßen könnte, mit denen man sich über das Woher und das Wohin austauschen könnte. Überhaupt scheint es mir hier sehr wenig Radfahrer zu geben. Ist Radfahren doch eher ein Sport für die Mittelklasse, abseits des bäuerlichen Milieus? So nehme ich mir denn den Rückenwind zum Gefährten... Er treibt sein Spiel mit mir, und ich lasse es mir gefallen.
Ich passiere St. Privat an der D 980, lade meine Wasserflaschen nach. Kurz vor Ally gebe ich einer plötzlichen Laune nach, und biege in einen schmalen Weg ein, der nach meiner Karte ebenfalls nach Osten, Richtung Salers führt. Kurz vorher habe ich in Pleaux alles Nötige eingekauft und aus den Augewinkeln heraus noch zwei Radler gesehen die mit Rennrädern und Gepäck für Hotelübernachtungen unterwegs waren. Zu kurz, um ihnen zuzuwinken. Aber beruhigend zu wissen, dass es auch hier Leute meiner Sorte gibt. Der schmale Weg erweist sich als ein Labyrinth von Wegen. Ums Haar hätte mich ein Hund angefallen, und ich greife die Gelegenheit beim Schopfe um seine zwei Herrchen, etwas betagte Herrschaften, nach dem Weg zu fragen. Umdrehen und dann links und dann rechts und dann... Dennoch, ein kleiner aber schöner Ausflug in die wirklich tiefe Provinz.
Salers ist klein und unbedeutend, aber es liegt auf meinem Weg und hat einen Campingplatz. So unbedeutend scheint es dann allerdings doch nicht zu sein mit seinem historischen Ortskern und seiner atemberaubenden Aussicht über die schroffe Kette der Vulkane der Auvergne, denn allerhand ortsfremde oder ausländische Autos stehen auf den Parkplätzen. Wir sind auf fast 1000 Meter über NN, der Wind pfeift kalt über die Anhöhe. Schwarze Wolken verheißen nichts Gutes.
Auch hier ist der Zeltplatz fast ausgestorben, die Rezeption ist bereits geschlossen. Ich entscheide mich für ein windgeschütztes Plätzchen hinter einer großen Hecke. Erster Regen fällt, während ich mit dem Kochgeschirr hantiere. Zum Essen ziehe ich mich ins Zelt zurück.
Strecke: |
201 km |
Zeit: |
8:43 h |
Schnitt: |
23,1 km/h |
Höhendifferenz: |
1895 m |