Mannheim - Bad Salzschlirf

Donnerstag, 18. Juni 2009   


MannheimNähmen wir uns die Zeit für ein zweites Frühstück oben auf dem Mannheimer Fernsehturm, wir könnten wohl einen kleinen Teil der Strecke überblicken, die uns heute erwartet. Aber wir sind spät dran: um halb elf erst, nach einem üppigen Frühstück, schlängeln wir uns mit unseren Gefährten durch die aufgewühlte Mannheimer Innenstadt und so belasse ich es dabei, mir fast den Hals zu verrenken, um einen Eindruck von seiner Höhe zu gewinnen.
Kloster Lorsch
Mannheim werde ich in sonniger Erinnerung behalten. Aber bald schon, während wir uns auf schmalen Wegen, die nur ein Einheimischer kennen kann, zwischen Industriegebieten und Feldern nordwärts bewegen, zieht der Himmel mehr und mehr zu.

Das Kloster Lorsch liegt auf unserer Route. Die Reste dieser im frühen Mittelalter bedeutenden Abtei gehört heute zum Weltkulturerbe und eine kurze Unterbrechung ist folglich obligatorisch. Es ist unmöglich, in den wenigen Minuten, in denen der Puls wieder auf Normalmaß absinkt, die Gemäuer zu lesen und eine Vorstellung davon zu bekommen, was die Menschen vor über tausend Jahren bewegt hat. Wenn man aus der freien Wildbahn kommt, ist es, als blicke man in die stumpfen Augen eines wohldressierten Tanzbären. Dennoch: eine Ahnung davon, dass die Eindrücke, die wir in den nächsten Tagen von diesem Land mit seinen Straßen und Landschaften, Häusern und Industrieanlagen bekommen werden, nicht seinen wirklichen Reichtum ausmachen, nehme ich mit, als wir uns umsichtig über die gepflasteren Wege zurück in die freie Wildbahn begeben.

Unweit von hier, im Lautertal, unserem nächsten Ziel, spielte dem Vernehmen nach ein Teil der Niebelungensage ab. Die Erzählung über den unbesiegbaren Drachentöter Siegfried habe ich als Kind verschlungen. Im Rhein, der nun in unserem Rücken liegt, soll der Niebelungenschatz begraben sein. Auf unserem Weg nach Dieburg begegnen uns weder Drachen noch Schätze, statt dessen ganz unspektakuläre Ortschaften mit Fachwerkbauten entlang halbwegs ruhiger Straßen. Fähre in Bad Seligenstadt

Wir umfahren Frankfurt in östlicher Richtung, nutzen in Bad Seligenstadt einen beliebten Billigmarkt, um uns zu verpflegen, und die Fähre, um über den Main nach Karlstadt zu gelangen. Danach ist Pause angesagt, die 100 Kilometer sind voll.

Der Großraum Frankfurt lebt vom Verkehr, erzeugt Verkehr, ist Verkehr. Man fragt sich, was wohl wäre, würde von heute auf morgen der Verkehr rund um Frankfurt zum Erliegen kommen, wenn plötzlich die Fliehkräfte rund um diesen Moloch neutralisiert wären. Die Stadt würde implodieren, das steht fest. Unter diesem Aspekt mag es seine Berechtigung haben, wenn uns LKWs und Autos im Geschwindigkeitsrausch schneiden, um die Stadt am Leben zu erhalten.

nordwärtsWir durchqueren den Spessart, der Adrenalinspiegel sinkt, mit dem Abend klingt der Kampf auf den Straßen ab. Abgesehen von wenigen Regentropfen hat sich das Wetter gehalten, mit zunehmender Dämmerung klart der Himmel sogar noch auf.

In Bad Salzschlirf machen wir uns auf der Terrasse einer Pizzeria zu schaffen. Messer und Gabel funkeln im Abendlicht, die Füße haben wieder Kontakt mit dem festen Boden. Der Wirt macht seine Späße, serviert anständige Ware und alle sind zufrieden. Die Ortschaften hier haben etwas anrüchige Namen: Magdlos, Hosenfeld, Großenlüder oder, na ja, Schlitz - nicht nur ein Ort, sondern auch ein Fluss. Hier erfolgt die Kür: das Ausfahren der Beine entlang ihres Flusslaufs. Man könnte auch sagen: das Highlight des Tages. Zehn oder fünfzehn Kilometer in der Dämmerung, genussvolles Treiben, allein vom Ansinnen bestimmt, einen Übernachtungsplatz zu finden. Eine Brücke mit Liegefläche und Steinstufen zum Flussufer bietet mehr, als wir erwarten können. Der Abend ist perfekt, zumal wir noch Bier im Gepäck haben. Der nächte Tag kann kommen.

 

Strecke:

221 km

Zeit:

8:43 h

Schnitt:

25,4 km/h

Höhendifferenz:

1400 m

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