Freitag, 27. Juni 2008
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Strahlender Sonnenschein holt mich zeitig aus meinem Zelt. Die Anstrengungen des gestrigen Tages sind verflogen, und ich mache mich ohne große Umschweife ans Packen. Der Campingplatz liegt außerhalb, und gemütlich lasse ich es in den Ort rollen, wo ich in der Bäckerei ein paar Croissants hole, die ich zum Milchkaffe im nächstliegenden Bistrot umgehend vertilge. Ich werde heute sehr viel in tiefster Provinz unterwegs sein, und so besorge ich mir gleich schon mal das Nötigste an Proviant für den Vormittag. Hier bietet sich das gleiche Bild wie in Malaucène: Radfahrer, einzeln oder in Gruppen, die sich vergnügt oder andächtig in den Straßen tummeln.
Mein Weg führt heute schnurstracks nach Norden, und ich hoffe auf etwas freundlichere Umstände, was den Wind betrifft, sehe mich aber schon am Ortsende von Sault enttäuscht. Heute bläst er - extra wegen mir - von Norden. Bilderbuchlandschaften ziehen an mir vorüber. Das schmale Tal des Toulourenc: ein Märchen für den Radreisenden. Vorbei am Schloss von Aulan, dann der Col d'Aulan mit seinen 845 Metern. Blick zurück auf den Ventoux: die Unschuld in Person, wie in der Morgensonne vor sich hinstrahlt. Ich grüße ihn ein letztes Mal, tauche mehr und mehr ein in den neuen Tag mit seiner Hitze, seinem ständigen Auf und Ab. Das Departement Drôme lockt nicht ohne Grund Radfahrer aller Couleur an. Die Anstiege sind, anders als in den Alpen, moderat. Der motorisierte Verkehr hält sich in Grenzen, die Überholvorgänge zeugen von einem gewissen Respekt.
Ein kurzer Plausch mit einem anderen Radreisenden auf dem Col de Peruergue (820 m). Vor mir liegt die Hügelkette der Barronies. Schweiß und Sonnenmilch kleben auf Armen und Beinen, als ich mich im Anstieg befinde, das Thermometer hat die 30°-Marke längst überschritten. Vereinzelt stehen alte Gehöfte in den Feldern und warten darauf, dass sie von einem Engländer oder Holländer für gewöhnlich zu völlig überteuerten Preisen aufgekauft werden. Beide Nationalitäten sind hier, den Autokennzeichen nach zu schließen, stark vertreten. Die Deutschen scheinen sich wohl eher im Lubéron zu sammeln.
Ich passiere den Col de Soubeyrand auf knapp 1000 Meter. Die Landschaft duftet nach Pinien. Allein der Wind macht mir wieder zu schaffen. In jedem Tal, das ich befahre, faucht er mir ins Gesicht. Er macht die Hitze erträglicher, aber auf meine Moral wirkt er zermürbend.
Irgendwo bei Remuzat liegt neben der Straße ein Baggersee. Er ist offiziell noch geschlossen, was mich aber nicht davon abhält, in die Fluten zu springen. Ein Bad unter diesen Umständen ist ein Genuss auf höchstem Niveau. Ich verbinde das Ganze mit meiner Mittagspause. Soweit ist alles perfekt.
Dies ändert sich allerdings, als ich wieder auf dem Rad sitze, denn der Wind ist nach wie vor alles andere als perfekt. So kämpfe ich mich auf der D 61 weiter nach Norden über den Col de Prémol bis ins Tal der Drôme. Vor mir liegen die schroffen Berge des Vercors. In Luc-en-Diois dann finde ich zum ersten Mal seit heute früh wieder ein offenes Geschäft, halte mich aber etwas zurück, da vor mir noch der Col de Menée liegt.
Der Col de Menée ist einer der kleineren unter den namhaften Pässen, der das Departement Drôme mit dem Departement Isère verbindet. Von Châtillon-en-Diois geht es fast flach nach Mensac, dann auf der D 120 weiter nach Menée, das dem Pass seinen Namen gibt. Auch heute wollen meine Beine nicht so recht, aber ein Desaster wie gestern bleibt aus. Ich schraube mich in beschaulichem Tempo nach oben, erfreue mich an den Ausblicken. Kurz vor der Passhöhe liefere ich mir noch ein heftiges Gefecht mit dem Gegenwind, lasse mich dieses Mal aber nicht unterkriegen. Dann endlich der Tunnel, der die beiden Flanken trennt. Hier ist der höchste Punkt des Tages: 1457 Meter über dem Meer. Das wär's dann für heute.
Clelles am Fuße der Nordauffahrt hat dem Reisenden nicht allzu viel zu bieten. Immerhin ein kleines Geschäft, wo man alle Zutaten für Spaghetti und die restlichen Gänge eines Radlermenüs erhält. Das muss reichen. Brunnen mit Trinkwasser gibt es genügend. Eine Zeltmöglichkeit soll es, so wurde mir gesagt, bei einem Bauern außerhalb des Ortes geben. Prächtig, denke ich, und folge den Schildern. Den Hof finde ich, allerdings weit und breit keinen Menschen und schon gar keine Dusche. Nur ein freundlich knurrender Hund reagiert auf mein Kommen. Ich verabschiede mich von ihm recht leidenschaftslos und ziehe es vor, meinen Weg fortzusetzen, zumal es zunächst bergab geht. Ein weiterer Camping à la ferme liegt auf meinem Weg: ein heruntergekommenes Gebäude, und abermals nur kläffende Hunde. Das Fremdenverkehrsgewerbe ließe sich hier noch etwas optimieren...
Mens, wo ich eine halbe Stunde später eintreffe, bietet alles, wonach mir verlangt und während die Spaghetti im Topf vor sich hinköcheln, genieße ich den Moment der Ruhe und strecke die Beine weit von mir. 170 Kilometer bin ich heute gefahren: die Provence liegt hinter mir, vor mir liegen die Hochalpen. Ein gutes Gefühl.
Strecke: |
170 km |
Zeit: |
9:14 h |
Schnitt: |
18,3 km/h |
Höhendifferenz: |
2658 m |