Radbrillen

Ich habe sie nicht gezählt, aber es müssen einige gewesen sein. Die Rede ist von Brillen, genauer: Radbrillen. Ob transparent, gelb, rot, braun, ob mit oder ohne Wechselgläsern: ich habe mich draufgesetzt, habe sie zerkratzt oder vergessen. Die eine Brille scheuerte mich so hinterm Ohr, dass ich ihr schnelles Ende herbeisehnte. Es ließ nicht auf sich warten. Ein anderes Exemplar war offensichtlich nicht für Minusgrade ausgelegt, denn beim Absetzen nach einer Winterrunde blieb mir der Bügel hartnäckig überm Ohr hängen, während ich den Rest in der Hand hielt. Wieder 35 Euro futsch. Ich habe mir eine Brille mit Bruchgarantie zugelegt – sie ist mir vom Helm gerutscht, ohne dass ich es bemerkt hätte. Von einem anderen Schmuckstück ist mir das Nasenpolster verloren gegangen. A propos Schmuckstück: eine Brille habe ich noch übrig. Sie liegt ganz weit hinten im Schrank und ist so hässlich, dass ich sie mir für Notzeiten aufhebe. Es war meine erste Radbrille. Aber sie hält. Vermutlich wird sie mich überdauern und meinen Erben ein Lächeln abringen.

Vergangenen Sommer hatte ich die große Gelegenheit, mich am Schicksal zu revanchieren. Es war am Einstieg zum Col d'Amic, drüben im Elsass. Auf dem Asphalt vor mir lag eine Radbrille mit Markenlogo, die ein anderer im Eifer des Gefechts verloren haben musste. Aber just in diesem Moment gaben meine Radlerfreunde Gas und außerdem war ich in jenen Tagen gerade im Besitz einer Brille. Folglich habe ich die Gelegenheit ausgeschlagen.

Es ist immer dasselbe. Was nicht der Abnutzung zum Opfer fällt, geht bei Unfällen drauf. Nehmen wir das Vehikel unter unserem Hintern beispielsweise: 8 oder 9 Kilo an Verschleißteilen. Damit kutschieren wir unsere eigenen 60 bis 80 Kilo an Verschleißteilen durch die Gegend. Für deren Wartung, Reparatur und (Gott bewahre!) Austausch zahlen wir jeden Monat eine Stange Geld. Der Nutzen davon ist höchst fraglich.

Dank dieser Erkenntnis erscheint mir dagegen der Preis für meine neue Radbrille geradezu lächerlich. Sie ist wirklich cool und macht mich um Jahre jünger.


Mai 2006