Westalpen 2020: Genf - Saint-Jean-de-Sixt

Sie kommt mir fast wie ein Fingerschnippen vor, diese morgendliche Bahnreise von Freiburg nach Genf. Kaum dass man – noch zuhause – gefrühstückt hat, steigt man, wenn auch mit einer Viertelstunde Verspätung, in Genf schon wieder aus dem Zug. Dort könnte man sich, genügend Reisebudget vorausgesetzt, ein paar erholsame Tage am Seeufer mit Alpenblick gönnen. Es muss schön und gleichzeitig aufregend sein, sich in der Nähe der großen Namen aus Show- und Finanzwelt zu wissen. Die großen Namen, die mich zu dieser Reise inspirierten, haben damit jedoch wenig zu tun. Wie Sternbilder schweben sie zeitlos über dem Radfahrerhimmel und verlangen danach, ihnen von Zeit zu Zeit Referenz zu erweisen.

Westalpen 2020: Saint-Jean-de-Sixt – Notre-Dame-du-Pré

Als ich morgens erwache, fällt Regen auf mein Zelt. Etwas unwillig schäle ich mich aus dem Schlafsack. Ich beschließe, meinen Kaffee an der Rezeption zu bestellen und unter den großen Sonnenschirmen zu frühstücken. Es ist erstaunlich kühl und ich möchte mich partout nicht zur Eile antreiben. Im Nieselregen packe ich dann schließlich zusammen und mache mich, später als geplant, auf zur nächsten Etappe, zu den nächsten großen Namen inmitten dieser gigantischen Wildnis von Fels, Geröll und fragiler Flora – einer Flora, die gerade so geduldet wird, wie mir scheint, aufgrund geheimer Absprachen, die in diesen Höhen mit den Naturgewalten getroffen werden.

Westalpen 2020: Notre-Dame-du-Pré – Le Châtelard

Eine unruhige Nacht liegt hinter mir, als ich meine Sachen wieder in die Säcke stopfe, voller Tiergeschrei, Trampeln, Rascheln, Scharren und Knacken von Ästen. Während ich versucht habe, in den Schlaf zu finden, erwachte die Fauna von Notre-Dame-du-Pré zu Leben. Je nach Standpunkt kann das pure Romantik sein, ich habe diese allerdings nach kurzer Zeit mit meinen Ohrstöpseln abgewürgt.

Westalpen 2020: Le Châtelard – Genf

Das Bäckereisterben in Frankreich macht mir an diesem Morgen zu schaffen – während man mancherorts schon am Geruch die Lage der Bäckerei orten kann, fahre ich hier orientierungslos die Hauptstraße des Ortes auf und ab, ohne Erfolg. So muss ich mir bis zur Öffnungszeit des Supermarktes die Zeit mit Packen vertreiben, ehe ich dort, als erster Kunde, mein erforderliches Pensum an Croissants aufs Kassenband legen kann. Das Frühstück am Zeltplatz im Schein der Morgensonne lasse ich mir gleichwohl schmecken.