Massat - Castillon-en-Cousans

Sonntag, 19. Juni 2016    


Der Regen lässt erst zum frühen Morgen nach und lange noch tropft es von den Dächern und den Bäumen und mit klammen Händen halten wir die Becher mit den Heißgetränken. Erneut müssen wir das Zelt in nassem Zustand einrollen, aber weit wichtiger ist, dass wir selbst trocken geblieben sind und dass der Regen, zumindest für den Augenblick, aufgehört hat. Mal sehen, wohin es uns heute verschlägt – das Pläneschmieden beim Frühstück geht erfahrungsgemäß leichter von der Hand als deren Umsetzung. Unumstritten ist, dass es weiter in Richtung Westen gehen soll, hinein in die Hochpyrenäen.

SeixDer Supermarkt am Ortsausgang hat, wie fast überall in Frankreich, auch am Sonntagmorgen geöffnet, und für den Rest des Tages sind wir essenstechnisch bis an die Zähne bewaffnet, als wir dem Lauf des Arac wohl über ein Dutzend Kilometer ins Tal folgen. Bei winzigen Fleckchen blauen Himmels findet ein sonntäglich-ruhiges Dahingleiten statt. Dann schwenken wir nach rechts auf die D3 – nach ein paar flachen Kilometern steigt die Route in Seix wieder an, hoch zum Col de la Core. Und wieder setzt Regen ein. Mir hängt er zum Halse raus, und die Feststellung dieses Umstandes geht mir recht leicht über die Zunge, dazu noch ein paar andere Feststellungen ähnlichen Inhalts. Wir stehen halbwegs geschützt vor dem Nass unter mächtigen Bäumen und endlich ist die Gelegenheit gekommen, dem Himmel einmal alle Schande an den Kopf zu werfen, die sich seit Wochen, nein, Monaten aufgestaut hat. Dessen Reaktion bleibt nicht aus: der Regen lässt unverzüglich nach. Der Col de la Core, trotz seiner 850 Höhenmeter, wirkt im Vergleich zu den Wetterkapriolen ziemlich harmlos.

Col de la CoreOben ist es windig und ungemütlich und der Blick von unserer Picknickbank stößt sich an den Wolkenbänken. Zwei Gleitschirmflieger lassen sich hin- und hertreiben: sie können den Windverhältnissen offensichtlich mehr abgewinnen als wir. Das Mittagessen halten wir knapp, was uns an Klamotten zur Verfügung steht, tragen wir am Mann. An der Frau, würde meine Frau jetzt sagen. Sie plaudert mit zwei Deutschen auf robusten Mountainbikes, die bereits seit einem Jahr on tour sind. In der Abfahrt bricht endlich lockert sich die Wolkendecke. Wir halten an einem Café neben der Straße und führen uns eine schwache Dosis Sonnenstrahlen zu.Kirche in Castillon

In Castillon-en-Cousans finden wir am Nachmittag einen weitgehend leeren Campingplatz. Etwas abgelegen zeltet eine Jugendgruppe in Begleitung von recht jungen Männern in Mönchskutten. Wir beobachten ihr seltsames Treiben und ihre Rituale und ich frage mich, wozu das alles gut sein mag. Wenn sie wenigstens für gutes Wetter sorgen könnten! Vermutlich haben sie jedoch wichtigere Anliegen ins Auge gefasst. Es gibt oberhalb der Ortschaft eine namhafte Kapelle aus dem zwölften Jahrhundert – wir unternehmen in der Dämmerung einen Spaziergang entlang des Kreuzweges bis hoch zu diesem markanten Gebäude. Was es mit dieser Kapelle auf sich hat, bleibt mir im Einzelnen verborgen, aber wie bei allem Zeitlosen werden auch hier die Legenden ranken und blühen und eine bestimmte Sorte Mensch in ihren Bann ziehen. Mit den großen Bergen verhält es sich schließlich genauso.

Strecke:

98 km

Höhendifferenz:

1525 m

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