Montag, 17.06.2013
| Strecke |
Als ich wach werde, sind die vielen bunten Zelte rings um uns verschwunden. Ein paar Nachzügler sind noch damit beschäftigt, die letzen Dinge in ihre Rucksäcke zu stopfen. Die Disziplin der Wandersleute ist bewundernswert - es ist gerade mal sieben Uhr. Wir haben es gestern Abend versäumt, für uns Frühstück zu bestellen - das Wenige, was wir jetzt noch bekommen, ist sein Geld nicht wirklich wert. Wir wollen es als Beitrag für den Unterhalt dieser Herberge sehen und damit zufrieden sein, dass wir überhaupt etwas im Magen haben. Wir werden die Sache anderswo hoffentlich nachholen.
Entlang der Strecke sehen wir zahllose Schweinegehege, die in den Abhängen angelegt sind - schattiges, mit Steinen und Bäumen durchsetzes Gelände, wo sich vereinzelt Mastvieh tummelt, bevor es beim Schlächter landet. Die Korsen scheinen mir, nicht anders als die Kontinentalfranzosen, allem Vegetarismus unverdächtig und ebenso fixiert auf Fleisch - Restaurants bewerben in aller Regelmäßigkeit regional produzierten Schweinskadaver. Andererseits zeigt sich der italienische Einschlag nicht allein in den Ortsnamen, sondern auch in der Vielzahl der Pizzerien, die vielerorts anzutreffen sind. Die Namen der Dörfer und Städte, die wir durchfahren haben, sind auf den Ortschildern zweisprachig angegeben, wobei die französischen Version meist übersprüht ist oder mit einer Ladung Schrot unkenntlich gemacht wurde. Ob diese weitverbreitete Sitte im Zusammenhang steht mit einem durch den übermäßigen Fleischkonsum erhöhten Testosteronspiegel, entzieht sich der Kenntnis des Reisenden.
Bis zur ersten Versorgungsstation sind wir eine gute Weile unterwegs. Zunächst bedienen wir uns an den Auslagen eines fahrenden Gemüsehändlers, ehe wir unseren restlichen Bedarf in einem kleinen Lebensmittelgeschäft decken, in dem fast nur korsische Waren geführt werden. Man hält die lokalen Produkte hoch - selbst das Bier wird auf Korsika gebraut. Vielleicht liegt dies aber auch an den höheren Transportkosten, die mit dem Import verbunden sind. Für unseren Bedarf ist das Angebot mehr als ausreichend. Kurz darauf rasten wir an einem Wasserfall und schlachten eine Melone.
Unsere Route ist auch heute verkehrsarm - Gelände, wie man es auch aus der Provence kennt: gefällig, aber heute nichts Umwerfendes. Wir hadern mit der Entscheidung, uns nicht für die Strecke entlang der hügeligen Westküste entschieden zu haben, von der wir uns reichlich Ausblicke aufs Mittelmeer versprochen hätten und das eine oder andere Bad in den Fluten, aber eben auch mehr Tourismus mit dem entsprechenden Verkehrsaufkommen. Einen Abstecher nach Westen verkneifen wir uns jedoch - auch Sardinien will noch besichtigt werden und unsere Zeit ist beschränkt.
Etliche Polizeistreifen auf dem Weg nach Aullène deuten darauf hin, dass bei einer Veranstaltung der staatlichen Elektrizitätswerke, auf die Hinweistafeln am Weg aufmerksam machen, bedeutsame Honoratioren zugegen sind. Die Feierlichkeiten finden an einem Stausee statt - vielleicht dessen Einweihung. Korsika ist von dem französischen Nuklearwahnsinn verschont geblieben - dieser Umstand ist sicherlich nicht zuletzt der korsischen Widerstandsbewegung zu verdanken. Die Produktion erneuerbarer Energien kommt allerdings erst allmählich in Gang, trotz des enormen Aufkommens der natürlichen Ressourcen Sonne, Wind und Wasser.
Auch das Gelände, das wir in der Nachmittagshitze bereisen, ist bergig, so dass wir den abseits gelegenen Campingplatz zwischen Sotta und Figari erst nach 19 Uhr erreichen - nach einer erlösenden Abfahrt vom Col de Bacino, die uns den heiß ersehnten Meeresblick gewährt. Der hauseigene Supermarkt ist noch geschlossen, da der Platz erst Anfang Juni seine Pforten geöffnet hat. Immerhin gibt es kühlen Rosé, der zu dieser Jahreszeit zu allem passt - auch zu den Resten, die wir heute Abend aus unseren Packtaschen zusammentragen und mangels einer Alternative verspeisen. So endet der Tag wie er begonnen hat: mit Schmalkost. Dafür nehme ich ein Entspannungsbad im Pool, das erste auf dieser Tour.
Strecke: |
116 km |
Zeit: |
6:48 h |
Schnitt: |
17,1 km/h |
Höhendifferenz: |
1420 m |