Pontarlier - Freiburg

Sonntag, 10. September 2006


die Schlafstätte: blumengeschmücktDie Frühschicht beginnt wohl gegen 5.30 Uhr. Nicht für uns, sondern für die Angestellten der Käserei. Damit haben wir nicht gerechnet bei der Wahl unserer Schlafstätte. Direkt neben uns hält ein Auto mit laufendem Motor, dann ein zweites. Ich nehme an, sie beäugen uns, kommen zum Schluss, dass wir harmlose Irre sind und kein Grund besteht, die Polizei zu rufen. Ich tue so, als schlafe ich, aber mit Schlaf ist spätestens ab diesem Moment Schluss. Eine dreiviertel Stunde drehe ich mich noch hin und her, der Mond grinst mich an. Dann geht der Wecker, 6.15 Uhr. Eine halbe Stunde später rollen wir durch die Vorstadt, bremsen bei der ersten Bäckerei und versorgen uns mit einer vollen Tüte Backwaren. Zum einzigen offenen Café geht's in die Innenstadt. Wir lassen uns Zeit, und fast die ganze Tüte wird auf die drei hungrigen Mägen aufgeteilt.

Ob das wohl reicht?Es ist Viertel vor acht, als wir nach viereinhalb Stunden Müßiggang wieder aufsitzen und den zweiten, längeren Teil in Angriff nehmen. Die Nacht hat müde Krieger hinterlassen, mit dem Mond ist unser Glanz, die Exotik der Nachtfalter, verblichen. Lediglich durch unsere kleinen Gepäcktaschen und die Lichter unterscheiden wir uns von den ganzen Sonntagsradlern, die sich nach und nach auf den Straßen zeigen. Aber noch sind wir alleine. Kühler Ostwind kommt auf. Ich habe leichten Kopfschmerz von der mehr oder weniger durchwachten Nacht. Die Fahrt durchs Jura an diesem frühen Morgen ist ein schönes Spektakel. Welliges Terrain, sehr einsam zu dieser frühen Stunde, Weidelandschaft, verschlafene Dörfer oder Einzelhöfe. auf der D6

Wir folgen der D 6, stoßen auf die D 492, ehe es in rauschender Fahrt hinunter nach Ornans geht, diesem lieblichen Städtchen an der Loue. Frühnebel hängen im Tal. Man sollte einfach anhalten und die Aussicht genießen. Ich nehme mir vor, irgendwann hier wieder Station zu machen. Auch ein Speichenbruch an Stutz' Hinterrad beeinträchtigt nicht mein Hochgefühl. Wie schön es sein kann, einfach nur auf dem Rad zu sitzen und mitanzusehen, wie die Landschaft vorbeifliegt!

 Unser Plan war, vor Mittag in Clerval, im Doubstal, einzutreffen, um dort für den Rest des Tages mit Futter einzudecken. Als wir allerdings unterwegs an einem Supermarkt vorbei kommen, scheint es vernünftiger, gleich einzukaufen, um nicht zu riskieren, dass wir nach zwölf Uhr in Clerval ankommen. guten Appetit!Wir haben noch deutlich über 200 Kilometer vor uns, und was wir da gar nicht brauchen können, sind leere Mägen und leere Taschen. Ist der Kreislauf erst einmal richtig in Schwung gekommen, ist der Druchsatz bermerkenswert... Also einkaufen. Die Augen sind so groß (oder ist es die Angst vor dem Verhungern?), dass am Ende die Taschen überquellen und nichts anderes bleibt, als der Sofortverzehr. Aber es gibt Schlimmeres.

Irgendwann sitzen wir wieder auf unseren Rädern und folgen unserem Streckenplan. Den Col de Ferrière mit seinen 592 Metern über NN passieren wir fast ohne es zu merken. Dann geht's im Sturm nach Clerval, nun deutlich nach zwölf Uhr. Sonntägliche Beschaulichkeit. Der Franzose sitzt um diese Zeit am Mittagstisch, schon auf dem Weg hierher haben wir etliche Familien auf ihren Terrassen um ihren Apéritif beneidet. Der Himmel ist etwas bedeckt, die Temperaturen sind sehr angenehm. die Spaghetti locken

Trotz der kurzen Nacht fühle ich mich ganz passabel und gut im Saft. Lediglich der leichte Kopfschmerz tut meinem Wohlbefinden etwas Abbruch. Die Müdigkeit jedoch hält sich sehr in Grenzen. Dennoch bin ich absolut nicht abgeneigt, als meine Kollegen ein Mittagschläfchen vorschlagen - einem Mittagschläfchen bin ich generell nicht abgeneigt. So vergeht eine weitere halbe Stunde im Stillstand. Wohliges Dahindämmern in der nachmittäglichen Wärme.

Die Strecke zurück ins Badner Land wird langsam überschaubar, als unser Dreiergespann Lure passiert hat und über die N 19 nach Ronchamp mit seiner berühmten Kirche von Le Corbusier zusteuert. Jetzt links ab auf die rau asphaltierte D4 und schon liegen die Vogesen vor uns. Die ersten Heimatgefühle kommen auf, wenn nach Giromagny die 100-km-Marke ernsthaft zu fallen droht. Aber der Nachmittag ist bereits weit fortgeschritten - es geht wohl so auf die fünf zu - mit rumtrödeln ist also nichts drin. Im Gegenteil: wir fahren nochmals richtig Tempo, bisweilen unterstützt von einem Südwestwind. Etliche Radfahrer sind nun auf der Strecke; der Ballon d'Alsace und der Grand Ballon sind in unmittelbarer Reichweite. Unsereiner findet jedoch am Fuße der Vogesen ausreichend Beschäftigung. In Aspach-le-Haut verlassen wir die Original-Brevet-Strecke, um Mulhouse nordwestlich zu umfahren, über Cernay, Wittelsheim und Ensisheim, von dort weiter nach Fessenheim mit seinen schauerlichen Atomreaktoren, über die neue Rheinbrücke drüber, und wir sind zurück in Deutschland. entlang der VogesenKurz nach der Grenze ist eine Tankstelle, und als der Stutz uns zu einem Bier einlädt, gibt es nicht den geringsten Widerspruch. Zum Wohl, Jungs, auf die Helden wie wir! Wir haben die Sache ordentlich durchgezogen. Am Ende komme ich auf einen Schnitt von 26,7 km/h bei über 4000 Höhenmetern.

Der Rest geht fast von alleine. Sicher, die Beine sind müde, die ganze Muskulatur etwas verspannt, und auch der Hintern macht sich so langsam bermerkbar, aber die Aussicht auf eine anständige Portion Spaghetti zuhause fegt diese Problemchen vom Tisch. Und so verabschieden wir uns gegen neun Uhr wieder in Freiburg, nach etwa 28 Stunden gemeinsamer Fahrt.

 

 


Strecke

536 km

Fahrzeit:

20:04 h

Gesamtzeit:

28:30 h

Schnitt:

26,7 km/h

Höhendifferenz:

4350 m

 

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